Welche Bedeutung haben Erinnerungen?

Das YAY Interview mit Erinnerungsforscher Prof. Gerald Hüther

Imme

CEO von YAY

Intro

Notiz vorab ...

In meinem Blogartikel Wie Kinder erinnern habe ich dargelegt, was das kindliche Gehirn wann erinnern kann, warum frühkindliche Erinnerungen wieder verschwinden und auch, unter welchen Voraussetzungen Erinnerungen prägen.

In Ergänzung dazu habe ich ein Interview mit dem Gehirnforscher Prof. Gerald Hüther geführt. Er hat eine Vielzahl an Büchern zum Thema frühkindliches Erinnerungsvermögen veröffentlicht und setzt sich seit vielen Jahren für kindgerechtes Lernen ein. Ich habe ihm die drei oben genannten Fragen gestellt, da sie mir im Nachgang meiner Recherche unter den Nägeln brannten. Hier liest du seine Antworten.

Das Interview

Frage 1

Lieber Herr Prof. Hüther, halten Sie Erinnerungen für etwas Wertvolles?

Prof. Hüther:

Natürlich ist es wichtig, dass wir uns an etwas erinnern können, das wir erlebt haben und das für unser weiteres Leben Bedeutung besitzt.

Erinnerungen sind Orientierungshilfen für künftige Entscheidungen und gleichzeitig auch Teil des eigenen Fundaments, von dem aus wir unser Leben gestalten.

Sie sind entscheidende Stabilisatoren für das, was wir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unseres Lebens bereits an inneren Einstellungen und Überzeugungen, an Selbstbildern, Identitäten und Weltbildern entwickelt haben. Um das aufbauen und aufrechterhalten zu können, brauchen wir die Fähigkeit des Erinnerns, also unser Langzeitgedächtnis, wie das die Hirnforscher nennen. Unser Erinnerungsvermögen ist also wichtig.

Frage 2:

Was wäre der Mensch ohne seine Erinnerungen?

Prof. Hüther:

Dann wäre er [trotzdem] ein Mensch, weil andere, die über Erinnerungen und Vorstellungsvermögen verfügen, ihm als solchen betrachten und ihm so begegnen.

Aber er selbst wüsste nicht, wer er ist. Jedenfalls nicht auf einer kognitiven Ebene. Er wäre aber auch kein Automat, also so etwas wie unsere heutigen digitalen Geräte. Die können sich zwar viel mehr merken als wir, aber sie können das, was sie erleben nicht auf sich selbst beziehen, weil sie keine Gefühle und keinen Körper haben.

Frage 3:

Kann man das Erinnerungsvermögen von Kleinkindern unterstützen?

Prof. Hüther:
Wozu sollte das gut sein? Es scheint ja sehr vorteilhaft zu sein, wenn man sich nicht an etwas erinnern kann, was schrecklich war und woran man (vor allem noch als Kleinkind) überhaupt nichts ändern kann.

Erinnerungen bleiben um so tiefer und nachhaltiger im Gehirn verankert, je größer die Störung war, die ein Erlebnis im Gehirn ausgelöst hat.

Erfahrungen großer Freude und großen Leids bleiben besser im Hirn hängen, als alles, was weniger tiefer geht, weil es eher alltäglich ist.

Und wenn ein Kind etwas subjektiv sehr Bedeutsames erlebt hat, wird das mit den dabei aufgetretenen Gefühlen und auch Körperreaktionen verkoppelt. Das sitzt dann richtig fest. Die Fähigkeit, es dann auch sprachlich auszudrücken und einzuordnen ist nicht wichtig für die Erinnerung, sondern für die Bewältigung dieser Erfahrung und deren Nutzung für die weitere eigene Lebensgestaltung.

Personal Note

Imme Scheit:

In meinem Leben spielt die Auseinandersetzung mit Erinnerungen eine besondere Bedeutung. Ich möchte, dass meine Kinder sich an all die wunderbaren Momente erinnern, die wir gemeinsam erleben.

Heute sind sie noch klein und erinnern sich an sehr Vieles, das gestern oder sogar vor zwei Jahren geschehen ist. Da die Erinnerungen im Laufe der Jahre verblassen werden, dokumentiere ich unsere Ereignisse mit Fotos, Videos und Erinnerungstexten. Es ist der Schatz, den ich meinen Kindern eines Tages überreichen werde und mein Antrieb, warum ich YAY gegründet habe.

DANKE
An Prof. Gerald Hüther für dieses Interview!