Warum wir Nostalgie lieben und brauchen

Wir werden von Musikstücken, Gerüchen, und alten Fotos vom wohligen Schauer der Erinnerung eingefangen. Warum geben wir uns diesen Nostalgiemomenten gerne hin und wie stärken sie unsere Gegenwart?

Ein Ausflug in die Hirnforschung und eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen.

Imme

Gründerin von YAY, Mama

Plötzlich wieder Kind

Früher habe ich mich das ganze Jahr lang auf die Sommerferien gefreut.

Am letzten Schultag wurde der Zeltanhänger fertig bepackt, der schon eine Woche zuvor zum Auslüften und Einräumen vor dem Haus stand.

Am nächsten Morgen ging es in aller Frühe los. Von der Ostsee immer weiter Richtung Südwesten, bis am Tag darauf der Atlantik hinter den Fenstern auftauchte.

Sobald wir das Zelt aufgebaut hatten, schien es mir immer, als wären wir niemals woanders gewesen. Nachts den Waldgeräuschen lauschen, tagsüber barfuß über den weichen Boden aus Sand und Piniennadeln laufen, eingelullt in den Geruch der Tannenzapfen. Morgens Baguette holen, abends Stockbrot am Lagerfeuer …

Wir lebten ohne Zeitplan und Zeitgefühl in den Tag hinein. Das waren unsere Sommer.

Nie wäre mir damals in den Sinn gekommen, dass wir dabei Erinnerungen kreieren, die für immer bleiben würden. (Hier habe ich darüber geschrieben, wie Kinder erinnern und welche Erfahrungen besonders prägend sind.)

Später hatte ich die Möglichkeit, andere Teile der Welt zu erkunden.

Bei einem Roadtrip entlang der kalifornischen Küste sahen wir der Sonne zu, während sie im Pazifik versank. Es war kein anderes Auto weit und breit. Vor unseren Füßen lag die Steilküste, die in ein glattes Meer tauchte, das wir nicht hörten. Es war fast vollkommen geräuschlos. Die Kulisse hinter uns bildete das Waldgebiet, das von Monterey bis San Simeon die Küste säumt. In dieser Stille, tausende Kilometer von zuhause entfernt, ergriff mich plötzlich die Erinnerungen an meine Kindheitstage an der französischen Küste.

Woher kamen diese Gedanken an früher?

Ich atmete die ein und wusste es. Der Geruch von Tannenzapfen, sandigem Boden und Meer triggerten in mir dieses wehmütige Gefühl.

Ob Kalifornien oder Frankreich, das wird immer der Geruch meiner Kindheit sein ...

Hirnforschung

Warum Erinnerungen wertvoll sind

Aus Sicht der Hirnforschung wird das Abrufen von Erinnerungen durch die Verknüpfungen von Nervensträngen möglich. Diese verknüpften Nervenstränge entstehen beim Erleben einer Situation, beispielsweise bei einem Urlaubsmoment, und hinterlassen einen neuronalen Abdruck im Gedächtnis.

Je mehr Sinne gleichzeitig am Erleben beteiligt sind, desto höher ist die Chance, dass eine Erinnerung noch lange abgerufen werden kann. Auch das Ausschütten von Glückshormonen spielt für die Intensität und Dauer des erinnerten Moments eine Rolle.

Kein Wunder, dass ich die Atlantikurlaube meiner Kindheit heute noch wie damals abrufen kann. Die Sommerferien in Frankreich fühlten sich nach Freiheit und Glück an, die mein Gehirn fest mit Piniengeruch, Sonnenschein und der salzigen Meeresluft in Verbindung bringe.

Wenn ich die Fotoalben von damals ansehe, schmecke ich die salzige Meeresluft auf meiner Zunge, rieche vom harzigen Duft der Pinienwälder erfüllte Luft in meinen Lungen und spüre die Sonne auf meiner Haut.

Genauso wie aufgehobene Andenken, alte SMS und archivierte Chatnachrichten fungieren Fotos als Auslöser, die unsere Erinnerungen aus den Tiefen des Unterbewusstseins hervorholen. Diese Trigger rufen das Wunderbare, Fremde und Unglaubliche wach, das du einst festgehalten hast, weil es dir bedeutsam schien. Sie setzten dich mit Menschen, Orten oder Lebensumständen in Verbindung, die einst eine Rolle in deinem Leben spielten und dies womöglich heute noch tun.

Deine Erinnerungen bilden daher einen wesentlichen Teil deiner Identität. Sie beeinflussen deine Gegenwart, indem sie dir Bilder vors innere Auge streamen, die von Gefühlen, Gerüchen und anderen Sinneswahrnehmungen begleitet werden.

Sie können dich inspirieren, indem sie dir aufzeigen, wer du einmal warst und wer du heute sein willst.

Erinnerungen können später ein Geschenk für deine Kinder sein, denen du von deinem heutigen Glück mit ihnen erzählst (viele Eltern tun es mit ihrem YAY Online-Tagebuch bereits).

Was ist Nostalgie?

Der Duden definiert:

Erinnerungen sind der Besitz aller bisher aufgenommenen Eindrücke.

Dieser Besitz ist deine persönliche Schatzkiste. Mithilfe deiner persönlichen Erinnerungstrigger öffnest du sie, manchmal bewusst, manchmal unbewusst.

Oxford Languages definiert Nostalgie als eine starke Verklärung der Vergangenheit, die durch ein Unbehagen in der Gegenwart ausgelöst wird. Doch die Süddeutsche Zeitung weiß:

Erinnerungen an vergangene Momente sind wie bittersüße Medizin. Gedanklich in der Vergangenheit zu verweilen ist sentimentaler Quatsch, heißt es immer wieder.Dabei haben Forscher herausgefunden: Nostalgische Gefühle können helfen, den Alltag besser zu ertragen - gerade in pandemischer Einsamkeit.

(Sebastian Herrmann: Die Macht der Erinnerung, SZ vom 20.09.2021, aufgerufen am 27.06.2022)

Wie nutzt du Nostalgie im Alltag?

Während der Lockdowns empfanden viele Menschen ein großes Unbehagen im Alltag und haben sich nach dem alten Normalzustand, nach Urlaubsreisen und Unbeschwertheit gesehnt. Ein klassischer Nostalgie-Trigger. Fast schon eine Gedankenflucht.

In meinem Fall hingegen überkam mich der nostalgische Schauer aufgrund der Analogie zu einer ähnlich erlebten Urlaubssituation. Eine Verklärung meiner Kindheitstage war es sicher (das Pieksen der Piniennadeln beim Barfußlaufen und Sonnenbrände habe ich mal schön ausgeblendet 😆).

Doch das ist nichts Negatives. Im Gegenteil, genau durch, dass wir heraufbeschwören, was schön war und dabei das Negative ausblenden, wird Nostalgie zur Energiequelle. Ob Nostalgie nun ein Entrinnen der Gegenwart ist oder nicht - wichtig ist, was du daraus für dich ziehst:

Positive Erinnerungen können immer wieder Kraft spenden.

Sie können dich an das erinnern, was dir wichtig ist und das, was schön war. Insbesondere an hektischen Tagen wirken nostalgische Augenblicke wie eine kurze Meditation, die den Alltag unterbrechen. Sie können einen Weg sein, wie du achtsam mit dir bist. Wenn du Zeit für dich brauchst, nimm dir Andenken oder Fotos vor. Scrolle durch dein YAY Online-Tagebuch oder was immer dir persönlich als Trigger für deine Erinnerugnen dient.

Beschwöre den Geruch und die Gedanken an Momente herauf, in denen du entspannt und glücklich warst.

Lass die Nostalgie in dir aufsteigen und genieße sie!

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